Das Bundesaufnahmeprogramm, die Lage in Afghanistan und die Haltung der deutschen Regierung

Seit dem Fall von Kabul am 15. August 2021 und der Machtübernahme der Taliban hat sich die Situation für die in Afghanistan verbliebenen Gefährdeten dramatisch verschärft.

Betroffene und Beteiligte berichten über ihre Erfahrungen.

Es diskutieren:

 

Frau Atefa Zafari, Staatsanwältin am Obersten Gerichtshof in Kabul
Frau Atefa Alizadah, feministische Journalistin aus Herat
Frau Malaka Mahmoodzadah, Künstlerin und Jounalistin

Herr Frederik Pötting, Koordinationsgruppe Afghanistan, amnesty international

Moderation:
Martin Gerner, Journalist

 

Die Taliban zwingen landesweit die Menschen, detaillierte Auskunft über ihre Ethnizität, frühere Tätigkeiten und Mitgliedschaften in Organisationen zu geben. Die Hausdurchsuchungen sind unberechenbarer geworden. Menschen werden abgeholt und verschwinden einfach, ohne dass jemand davon berichtet.

 

Frauen werden aufgrund angeblich unislamischer Kleidung verhaftet und in den Gefängnissen misshandelt und vielfach vergewaltigt. Die Gesetze gegen Frauen sind kürzlich nochmals verschärft worden. Frauen dürfen noch nicht einmal singen oder laut reden. Im öffentlichen Raum dürfen sie sich nur in Begleitung von Aufpassern und vollständig verschleiert bewegen.

 

Der Geheimdienst der Taliban und das Netz der Informanten verfolgen missliebige Personen mit immer größerer Vehemenz. Verfolgte müssen ständig ihren Aufenthaltsort wechseln, um nicht entdeckt zu werden. Viele leben von Erspartem, was langsam zuneige geht, oder lassen sich von Auswärtigen unterstützen, was alles andere als dauerhaft sicher ist.

 

Besonders gefährdet sind Menschen, die sich vor dem 15. August 2021 für die afghanische Demokratie, für Presse- und Meinungsfreiheit, Menschen- und Frauenrechte eingesetzt haben oder in der Justiz tätig waren.

 

Viele Frauen und Angehörige der Ethnie der Hazara haben sich in den 20 Jahren des Bestehens der Republik emanzipiert. Unter der Schirmherrschaft u.a. der Bundeswehr haben viele akademische Abschlüsse erworben, sich aktiv und mit Begeisterung für Frieden, Freiheit und Frauenrechte engagiert – in Programmen, die von westlichen Organisationen gestiftet oder gefördert wurden – und sich dadurch zusätzlich in Gefahr gebracht. Sie hatten darauf vertraut, dass der Rechtsrahmen, der von den NATO-Staaten geschaffen wurde, Bestand haben wird.

 

Ein Lichtblick war der Start des Bundesaufnahmeprogramms für Afghanistan im Oktober 2022, der den Gefährdeten eine Ausweg aus ihrer verzweifelten Lage versprach. Leider erwies es sich als sehr bürokratisch, auch aufgrund von Widerständen von Seiten des Innenministeriums. Diese Verzögerungen führten dazu, dass die Gefährdeten große Ängste ausstehen und dem Verfolgungsdruck der Taliban fortwährend ausweichen müssen.

 

Nun wurde es ganz eingestellt.